In der Zeit, als der Erste Weltkrieg auf sein Ende zusteuert und die Weimarer Republik ihren Anfang nimmt, ist die Lebenssituation breiter Teile der Bevölkerung alles andere als rosig: es herrscht Mangel im Ernährungssektor vor und ein Großteil der Bevölkerung ist verarmt.
Stärker als jede andere politische Gruppe oder Strömung zuvor, greift die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, kurz NSDAP, die lösungsbedürftige Lage auf und widmet sich in ihrem 25-Punkte-Programm von 1920 insbesondere der Wirtschafts- und Sozialpolitik. So wirbt die Partei unter anderem auch mit dem Wahlspruch: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“. Daneben wird die Abschaffung bestehender Klassen und der Zusammenschluss aller Deutschen zu einer einheitlichen Volksgemeinschaft angestrebt. Diese Programmpunkte werden jedoch nicht umgesetzt, da Hitler sowohl die Reichswehr als auch die Unternehmer auf seine Seite bringen will.
1932 gibt es im Deutschen Reich 5,5 Millionen Arbeitslose, was als sozialpolitisches Versagen der Weimarer Regierungen während der Weltwirtschaftskrise gedeutet wird. Den Nationalsozialisten gelingt es hingegen zwischen den Jahren der Machtübernahme in 1933 und 1934 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 die Zahl der Arbeitslosen von 4,8 auf 0,1 Millionen Menschen zu reduzieren. Von Beginn an steht die Arbeitsmarktpolitik im Zeichen der militärischen Aufrüstung. Der Ausbau der Rüstungsindustrie ermöglicht es somit den Nationalsozialisten Millionen von neuen Arbeitsplätzen zu schaffen.
So stellt sich die Nationalsozialistische Partei die ideale Frau vor. (© Bundesarchiv, via Wikimedia Commons)
Während Frauen aus der Erwerbsarbeit herausgedrängt werden – beispielsweise durch zinslose Ehedarlehen –, müssen Jugendliche ihren Arbeitsplatz an arbeitslose Familienväter abgeben. Für 18- bis 25-jährige Männer und Frauen wird hingegen im Jahr 1935 ein verpflichtender Arbeitsdienst für sechs Monate eingeführt. Alle diese Regelungen stellen eine Entlastung für den Arbeitsmarkt dar. Aufgrund der stetig wachsenden Rüstungsindustrie und dem damit einhergehenden steigenden Arbeitskräftebedarf, wird schließlich die Vollbeschäftigung erreicht. Ab dem Jahr 1939 kommt es sogar zum Arbeitskräftemangel, was während des Zweiten Weltkriegs durch Millionen Menschen aus den besetzten Ländern Europas ausgeglichen wird. Im Sommer 1944 werden acht Millionen „Fremdarbeiter“ zum „Arbeitseinsatz im Reich“ verpflichtet.
Die 1920 eingeführte Reichseinkommensteuer wird im Rahmen des Steueranpassungsgesetztes 1934 fortentwickelt und die Steuerklassen I bis IV geschaffen, die noch heute Teil des Steuersystems sind.
Ganz in Übereinstimmung mit dem nationalsozialistischen Ideal, dem zufolge, Frauen in der Arbeitswelt unerwünscht sind, werden fortan die Verdienste von Ehemann und Ehefrau addiert und wie bei einer Einzelperson besteuert. Dies resultiert in einer deutlich erhöhten Steuerlast bei Zweiverdienerehen im Vergleich zum früheren Rechtszustand, in dem Ehepartner gleich wie Ledige besteuert wurden.
Ebenso Unternehmen und Hauseigentümer werden extrem stark belastet. Die Körperschaftssteuer wird von 20% auf 40% verdoppelt. Hausbesitzer müssen eine Sonderabgabe von acht Milliarden Reichsmark leisten.
Doch Hitler will nicht als derjenige dastehen, der nur Kriegssteuern einführt. Um der Bevölkerung zu zeigen, dass er während des Krieges sehr wohl auch Steuern senken kann, werden 1940 die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge steuerlich befreit.
Trotz ihrer neutralen Haltung gegenüber Hitlers Politik, sind die freien Gewerkschaften den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Hitlers Ideologie von der Volksgemeinschaft passt ganz und gar nicht zur Idee einer selbstständigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Viel eher stellt sich Hitler einen Zusammenschluss aller Berufsgruppen vor, welcher dem „Gemeinwohl“ der Nationalsozialisten dienen soll.
Aufgrunddessen besetzen die Nationalsozialisten am 2. Mai 1933 Gewerkschaftshäuser im gesamten Deutschen Reich und inhaftieren deren Funktionäre. Die Gewerkschaften werden daraufhin aufgelöst. Anstelle der Gewerkschaften wird am 6. Mai 1933 die Deutsche Arbeitsfront, kurz DAF, gegründet. Dieser treten Ende 1933 ebenfalls die Unternehmensverbände bei. Damit wird DAF quasi zu einer Zwangsgemeinschaft von Unternehmern, Arbeitern und Angestellten. Ihr Leiter und Organisator ist der Nationalsozialist Robert Ley. Mit der Begründung der Deutschen Arbeitsfront finden die freie Meinungsbildung wie auch Abstimmungen zwischen den Mitgliedern ein Ende.
Am 19. Mai 1933 werden gesetzlich sogenannte „Treuhänder der Arbeit“ eingeführt. Sie unterstehen dem Reichsarbeitsministerium und sollen sämtliche Lohn- und Arbeitsfragen regeln. Auch das Tarifrecht wird ihnen übertragen, das heißt, es obliegt von nun an ihrer Entscheidung, wie Arbeiter und Angestellte in den Betrieben entlohnt werden. Tarifverhandlungen gehören somit der Vergangenheit an.
Das am 23. Januar 1934 eingeführte Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit verbietet das Koalitions- und Streikrecht. Anstelle der ehemaligen Betriebsverfassung wird das nationalsozialistische Führerprinzip eingeführt. Laut diesem sind Unternehmer „Betriebsführer“ und die Arbeitnehmer die „Gefolgschaft“. Vertrauensräte ersetzen die Betriebsräte. Ihre einzige Funktion besteht in der Beratung der Betriebsführer. Doch auch sie werden 1935 abgeschafft, als sie in den Augen der Nationalsozialisten nicht das gewünschte Ergebnis bringen.
Die Deutsche Arbeitsfront stellt mit sage und schreibe 25 Millionen Mitgliedern 1942 die größte Massenorganisation in der Geschichte des Deutschen Reichs dar. Sie macht sich die betriebliche Sozialpolitik zu ihrer Hauptaufgabe, mit welcher sie die Menschen für den nationalsozialistischen Staat begeistern will.
Bunte Abende und Symphoniekonzerte, die von der Deutschen Arbeitsfront organisiert werden, sollen den Mitgliedern die „Schönheit der Arbeit“ vermitteln. Ebenso gibt es Bemühungen Arbeiter und Angestellte zum Volkssport zu motivieren. Neben sozialem Wohl, legt man großen Wert auf die Verbesserungen der Bedingungen am Arbeitsplatz, zum Beispiel in Form von besserer Belüftung und Beleuchtung. Ebenso wird der Bau von Werkswohnungen, Kantinen, Sportplätzen von der Deutschen Arbeitsfront geregelt. Der Urlaubsanspruch von drei Tagen im Jahr wird auf sechs Tage angehoben.
Die Deutsche Arbeitsfront verfolgt das Ziel verschiedene Sozialversicherungen zu einer Einheitsversicherung zusammenzuführen. Ebenso soll der Rechtsanspruch des Versicherten abgeschafft werden. Nur derjenige soll Leistungen beanspruchen können, der tatsächlich bedürftig ist und sich sowohl sozial als auch politisch entsprechend den nationalsozialistischen Richtlinien verhält. Doch diese politischen Ziele scheitern an den Beamten des Reichsarbeitsministeriums.
Während jüdische Deutsche von den Leistungen der Sozialversicherung ausgeschlossen werden, sollen sozialpolitische Innovationen die versicherten Arbeitnehmer für die Politik der Nationalsozialisten gewinnen. In diesem Sinne wird im September 1936 das Kindergeld eingeführt. Nichtversicherungspflichtige Deutsche unter 40 Jahren erhalten im Dezember 1937 das Recht zum Eintritt in die Rentenversicherung. Ferner werden im Jahr 1941 Rentner in der Krankenversicherung pflichtversichert.
Im Juni 1934 tritt eine weitere Neuerung in Kraft: die Selbstverwaltung der Sozialversicherungen wird abgeschafft. Das seit dem 19. Jahrhundert bestehende Recht der Versicherten ihre gewählten Vertreter in einen Verwaltungsrat bzw. eine Vertreterversammlung zu entsenden, ist damit nichtig. Fortan wird auch hier das nationalsozialistische Führerprinzip implementiert. Auf Vorschlag der Deutschen Arbeitsfront wird ein Leiter mit einem Beirat vom Reichsversicherungsamt ernannt.
Wer gesetzlich versichert ist und erkrankt, hat Anspruch auf medizinische Behandlung – dies allerdings unter einer Bedingung: er muss sich vor dem Krankwerden gesundheitsbewusst verhalten haben. Diesbezüglich gelten im Nationalsozialismus nun die Mottos:
Jeder Deutsche hat die Pflicht, so zu leben, dass er gesund und arbeitsfähig bleibt.
Krankheit ist ein Versagen. Wer krankheitshalber häufig am Arbeitsplatz fehlt, ist ein schlechter Kranker.
Die Nationalsozialisten weiten auch die Versicherungspflicht für Selbstständige aus sowie für Gruppen, die ihnen wichtig sind. Zu diesen gehören: Hebammen, Kriegshinterbliebene und Rentner. Zusätzlich werden die Krankenpflege sowie das Wochengeld auf jeweils sechs Wochen vor und nach der Geburt des Kindes ausgedehnt.
Die rassenpolitischen und kriegspolitischen Ziele der Nationalsozialisten bestimmen ebenfalls die Gesundheitspolitik im Deutschen Reich. Die Medizin soll fortan nicht den einzelnen Menschen behandeln, sondern in erster Linie die „Volksgesundheit schützen“ bzw. die Gesundheit des „deutschen Volkskörpers“ sicherstellen.
Entsprechend dieser Philosophie wird „nichtarischen“, „sozialistischen“ sowie „staatsfeindlichen“ Ärzten die Krankenkassenzulassung entzogen. Die restlichen Mediziner werden gezwungen, sich der Reichsärztekammer anzuschließen, die – nicht weiter überraschend – von einem Reichsärzteführer geleitet wird. Für jüdische Ärzte gilt ab dem Jahr 1938 ebenso ein Berufsverbot. Die dürfen als „Krankenbehandler“ ausschließlich Juden versorgen.
Während des Zweiten Weltkriegs bis zur Niederlage von Stalingrad wird im zivilen Bereich lange Zeit beinahe unbeeindruckt vom Krieg weiterproduziert. Dies ist möglich, da das Deutsche Reich aufgrund der anfänglichen Wehrmachtserfolge Zugriff auf die Nahrungsmittel und Arbeitskräfte der besetzten Länder hat. Dennoch verstärken sich die Begrenzungen in der Versorgung nach Goebbels‘ Sportpalastrede, in welcher er zum totalen Krieg aufruft. Im Frühjahr 1945 sind die Nahrungsmittelrationen unter dem Erhaltungsminimum angelangt. Folglich wird auf verfügbare Nahrungsmittel zurückgegriffen: Kastanien, Eicheln, Raps, Rapskuchen, Rapsextraktionsschrot sowie auf Runkelrüben, Serradella, Klee und Luzerne. Als Eiweißquellen dienen warmblütige Tiere wie auch Fische, Frösche und Schnecken.