Um das weltberühmte Gemälde Leonardo da Vincis ranken sich viele Fragen und eine beachtliche Anzahl an Verschwörungstheorien. Das ursprünglich als La Gioconda – zu Deutsch „Die Heitere“ – bekannte Bild, welches in Öl auf dünnes Pappelholz gemalt wurde, ist der Inbegriff italienischer Renaissance. Über den Entstehungszeitraum sind sich die Wissenschaftler nach wie vor nicht einig: Einige meinen, es wurde zwischen 1503 und 1506 gefertigt; andere wiederum nennen den Zeitraum zwischen 1502 und 1503.
Doch die Datierung ist bei Weitem nicht das Spannendste an diesem Werk. Eine der heißdiskutiertesten Fragen, die Mona Lisa aufwirft, ist: Wer was das Modell, das für den Meister posierte? Und noch wesentlicher: Stellt das Porträt wirklich eine Frau dar?
Nebst der Vermutung, dass es sich bei dem Gemälde um ein Selbstporträt da Vincis handelt, gibt es einige weitere Theorien darüber, wer darauf abgebildet ist.
Die wohl populärste Annahme geht auf den ersten Biografen der neuzeitlichen Kunstgeschichte aus dem 16. Jahrhundert, Giorgio Vasari zurück. Er identifizierte das unsignierte und nicht datierte Porträt als das der Lisa del Giocondo. Sie war die dritte Gemahlin des Florentiner Seidenhändlers und Kaufmanns Francesco di Bartolomeo di Zanobi del Giocondo.
Der Bezug zu dieser Dame wird durch eine Entdeckung gestützt, die Armin Schlechter bei der Katalogisierung eines Frühdrucks der Universitätsbibliothek Heidelberg machte: Er fand einen mit Oktober 1503 datierten handschriftlichen Eintrag von Agostino Vespucci, einem florentinischen Kanzleibeamten, der von der Anfertigung eines Porträts von Lisa del Giocondo durch Leonardo berichtet.
Skeptische Stimmen meinen jedoch, dass dies die Mona Lisa noch lange nicht als Lisa del Giocondo identifiziert. Immerhin könnte sich diese Randnotiz auf ein anderes Werk von da Vinci beziehen, welches der Wissenschaft noch nicht bekannt ist.
Die zweitpopulärste Hauptthese bezieht sich auf Giuliano di Lorenzo de‘ Medici, der das Bild als tröstenden Mutterersatz für seinen unehelichen Sohn Ippolito de‘ Medici in Auftrag gegeben haben soll, nachdem seine Geliebte Pacifica Brandani im Kindbett verstorben war.
Des Weiteren wird Isabella d’Este aus Mantua als mögliches Modell genannt. Die Profilzeichnung, welche ebenso im Louvre zu sehen ist, ist eine der etlichen Porträtzeichnungen, die da Vinci von ihr anfertigte. Aus den Jahren 1500 bis 1504 sind zudem mehrere Briefe überliefert, in denen d’Este bei da Vinci wegen einem Ölporträt anfragt.
Zusätzlich zu den genannten Theorien kommen ebenso Isabella von Aragonien, die Tochter des Alfons II. von Neapel, sowie Caterina Sforza, die illegitime Tochter des mailändischen Herzogs Galeazzo Maria Sforza und spätere Regentin von Forlì und Imola, als potentielle Modelle in Frage.
Die spektakulärste Theorie allerdings basiert auf der mutmaßlich homosexuellen Orientierung des Malers und stammt vom italienischen Kunstdetektiv Silvano Vinceti und seinen Forscherkollegen. Das Forscherteam behauptet, es handle sich bei Mona Lisa um die Verschmelzung eines weiblichen und männlichen Modells. Zum überwiegenden Teil zeigt das Porträt Lisa del Giocondo, für Mund und Nase soll hingegen Gian Giacomo Caprotti, alias Salaí, Modell gestanden haben. Letzterer begann 1490 im Alter von 16 Jahren im Atelier da Vincis zu arbeiten und lebte mit dem Maler bis zu dessen Tod in 1519 zusammen. Salaí soll außerdem in mehreren anderen Gemälden Leonardos erkennbar sein, wie zum Beispiel im Werk „Johannes der Täufer“.
Eine Bestätigung dieser Hypothese liefern ebenfalls die von Silvano Vinceti und seinen Kollegen durchgeführten Digitalanalysen: Diesen zufolge sind in den Augen der Mona Lisa die Buchstaben L und S zu finden. Die Forscher vermuten, dass das S für den vermeintlichen Geliebten da Vincis, Salaí, steht, das L hingegen für den Maestro selbst.
Noch ein weiterer interessanter Aspekt unterstützt Vincetis Theorie: Leonardo hatte eine Vorliebe für das Androgyne. Für ihn stellte der perfekte Mensch eine Mischung aus Mann und Frau dar. Vielleicht ist die Salaí-Theorie tatsächlich des Rätsels lang ersehnte Lösung?