Werner Spies – ein deutscher Kunsthistoriker

Sein Leben und Wirken

Der deutsche Kunsthistoriker, Kunstvermittler, Journalist und Museumsdirektor Werner Spies kam am 1. April 1937 in Tübingen zur Welt. Als Sohn eines Rottenburger Volksschuldirektors besuchte er die Volksschule in Rottenburg am Neckar, 1951 dann das Albertus-Magnus-Gymnasium in Rottweil. Bereits als Abiturient wusste er, dass er Kulturschriftsteller werden wollte.

Von 1956 bis 1958 war er als Praktikant bei der in Rottweil herausgegebenen Zeitung Schwarzwälder Volksfreund tätig und arbeitete im Anschluss daran als Redakteur für das Feuilleton der Stuttgarter Zeitung.

Er studierte in Wien, Paris und Tübingen Kunstgeschichte, Philosophie und Romanistik, schloss sein Studium zunächst aber nicht mit einer Dissertation ab.

Als Lektor und Literaturagent lernte er in Paris französische Autoren wie Monique Wittig, Robert Pinget, Francis Ponge, Claude Simon, Marguerite Duras, Michel Butor, Alain Robbe-Grillet, Nathalie Sarraute und Samuel Beckett kennen. Binnen kürzester Zeit fand er in der Pariser Literaturszene Anerkennung, war seit 1960 in Paris wohnhaft und ließ sich dort schließlich 1962 nieder. Von hier aus schrieb er ab 1964 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und beeinflusste wie es in der Ehrendoktorwürde, die ihm von der Universität Tübingen verliehen wurde, heißt “mit seinem prägnanten Argumentationsstil eine ganze Generation von Kunsthistorikern.”

Da ihm die bisherigen Hörfunkbearbeitungen beim Süddeutschen Rundfunk missfielen, gab er bei ihm bekannten und befreundeten Autoren eigens fürs Radio erstellte Prosatexte in Auftrag. Im Zuge dieser Kooperation entstand zum Beispiel das erste Hörspiel Samuel Becketts, welches im deutschen Rundfunk gesendet wurde. Ferner übersetzte Werner Spies Werke von Jean Tardieu, Francis Ponge, Alain Robbe-Grillet und Marguerite Duras.

Die Bekanntschaften mit Pablo Picasso und Daniel-Henry Kahnweiler hatten maßgeblichen Einfluss auf sein weiteres Leben. Im Jahr 1966 lernte er Max Ernst kennen, mit dem ihn bis zu dessen Tod im Jahr 1976 eine tiefe Freundschaft verband. Zur selben Zeit, als er unter dem Direktorat von Norbert Kricke an der Kunstakademie Düsseldorf einen Professorenstuhl besetzte, verfasste Spies eine Dissertation über die Collagen von Max Ernst und promovierte beim ehemaligen Direktor der Kunstakademie und Kunsthistoriker Eduard Trier an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Werk

Spies war Kunstkritiker bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, veröffentlichte viele Monographien zur Kunst des 20. Jahrhunderts und betreute Ausstellungen zu den Künstlern Pablo Picasso, Max Ernst wie auch zum Surrealismus. Als international geachteter Kunstwissenschaftler, trug er wesentlich zur Durchsetzung der Klassischen Moderne in Deutschland bei. Ebenso war er bestrebt das Werk bedeutender moderner Künstler, wie etwa von Picasso und Ernst, einem großen Publikum fassbar zu machen.

Professor, Kurator und Herausgeber

Werner Spies auf dem Blauen Sofa (2011) (©Das Blaue Sofa/Club Bertelsmann)

Werner Spies auf dem Blauen Sofa (2011) (©Das Blaue Sofa/Club Bertelsmann)

Zwischen 1975 und 2002 bekleidete Werner Spies den Lehrstuhl für Kunst des 20. Jahrhunderts an der Kunstakademie Düsseldorf. In den Jahren 1997 bis 2000 war er ebenfalls Direktor des Centre Georges Pompidou in Paris, welches damals Centre Beaubourg hieß und war dort sowohl für die Präsentation der Sammlungen wie auch für die Neugestaltung des Musée National d’Art Moderne verantwortlich. Seine Ernennung zum Museumsdirektor sorge in den Medien für Furore, da derartige begehrte Positionen im französischen Museumswesen meist nur Karrierediplomaten zukamen.

Für das Centre George Pompidou inszenierte er 1998 die Ausstellung Max Ernst, sculptures, maisons, paysages, im Jahr 2000 Picasso sculpteur sowie La Révolution surréaliste im Jahr 2002, welche anschließend auch in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf präsentiert wurde. Werner Spies fungierte zudem als Vorsitzender des Stiftungsrates wie auch des Brühler Kuratoriums der Stiftung Max Ernst, in dessen Rahmen er ebenfalls für die Eröffnung des Max-Ernst-Museums am 4. September 2005 mitverantwortlich war, welches zwei Jahre später in die Trägerschaft des Landschaftsverbandes Rheinland überging. Im Juni 2012 gab er beide Ämter auf.

Gemeinsam mit Günter und Sigrid Metken betreute er im Auftrag von Max Ernst sowie der Menil Foundation in Houston/Texas als Herausgeber den Werkkatalog. Außerdem baten ihn Pablo Picasso und der Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler den Werkkatalog der Picasso-Skulpturen zu erstellen. 1968 wurde Werner Spies Jury-Mitglied der 4. documenta und war 1975 als Kommissar der Ausstellung Max Ernst im Pariser Grand Palais tätig. Seine eigene Ausstellung Paris-Berlin 1900-1933 kuratierte er 1978 im Centre Beaubourg. Ferner veranstaltete er zahlreiche Ausstellungen, unter anderem über die Zeichnungen, Aquarellen, Pastellen und Skulpturen von Picasso, den deutschen Künstler Josef Albers oder etwa Max Ernst.

Es folgten weitere Picasso-Ausstellungen zu den Themen Welt der Kinder oder Die Zeit nach Guernica. Auch die Retrospektive zu Max Ernst im New Yorker Metropolitan Museum of Art betreut er im Jahr 2005. Des Weiteren war Werner Spies für die Ausstellung Picasso – Malen gegen die Zeit  – 200 Bilder, Skulpturen, Zeichnungen in der Wiener Albertina zuständig. Diese Ausstellung wurde abermals in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf präsentiert.

Vierzig Jahre lang veröffentlichte Spies Aufsätze in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Einige von ihnen, die er zwischen 1998 und 2004 verfasste, wurden 2005 in überarbeiteter Form unter dem Titel Duchamp starb in seinem Badezimmer an einem Lachanfall – Portraits herausgegeben.

Spies war außerdem Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Kunstfälscherskandal

2010 wurde Spies als Gutachter hinzugezogen, um die Echtheit einiger Werke von Max Ernst aus der “Kunstsammlung Jägers” zu überprüfen. Er bestätigte ihre Authentizität und als solche wurden die Arbeiten auch versteigert, stellten sich später jedoch als Fälschungen heraus. Sieben Max-Ernst-Fälschungen hatte er für echt befunden und war auch an ihrem Verkauf finanziell beteiligt. Stattliche 400.000 Euro Provision erhielt er von der Fälscherfamilie Beltracchi. Als Mitglied des Kunstbeirats der Sammlung Reinhold Würth, welcher zwei gefälschte Werke, eines von Max Ernst, das andere von Heinrich Campendonk erworben hatte, erhielt er vom Kunsthändler Marc Blondeau weitere Provisionen in unbekannter Höhe. Zudem wurde eine weitere Fälschung von Max Ernst verkauft, nachdem sie im Max Ernst Museum Brühl des LVR, in einer von Werner Spies betreuten Ausstellung, gezeigt worden war.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete im Januar 2012, dass Spies nicht nur hohe Provisionszahlungen vom Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi erhalten, sondern diese zusammen mit anderen Überweisungen von Galeristen und Kunsthändlern über ein Konto in der Schweiz abgewickelt hatte. Die Wochenzeitung Die Zeit hatte kurz zuvor die “fragwürdigen Geschäfte mit dem großen Surrealisten” Max Ernst in Verbindung mit Spies sowie die Verwicklung des Max Ernst Museums Brühl des LVR in einem Beitrag thematisiert.

Auszeichnungen

Werner Spies ist Träger zahlreicher Preise, unter anderem der Wilhelm-Hausenstein-Ehrung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, des Johann-Heinrich-Merck-Preises der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und des in Bergamo verliehenen Premio internazionale arte et letterature Sergio Polillo. 2001 erhielt Spies außerdem die Goethe-Medaille, 2003 den ART Cologne Preis und den Elsie-Kühn-Leitz-Preis der deutsch-französischen Gesellschaften.

In den Jahren 2003 und 2005 wurde Spies sowohl der Ehrendoktor der Freien Universität Berlin wie auch der Universität Tübingen verliehen. Er ist Träger der Kommandeurkreuze des Ordre national du Mérite und des Ordre des Arts et des Lettres, des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern, des Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg sowie Kommandeur der französischen Ehrenlegion.

2008 war er Laudator bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Anselm Kiefer und wurde selbst 2010 mit dem Carlo-Schmid-Preis der gleichnamigen Stiftung in Stuttgart ausgezeichnet, bei welcher Volker Schlöndorff Laudator war.