Im klassischen Ballett enden die Karrieren meist spätestens mit 30 Jahren. Für ein „zeitgenössisches Tanzstück“ begab sich Heike Hennig 2005 auf die Suche nach ehemaligen Tänzerinnen und Tänzern. Nach intensiver Recherche im Leipziger Tanzarchiv konnte sie mit ehemaligen Profis Kontakt aufnehmen und schlussendlich vier um die 80-jährige Tänzerinnen und Tänzer davon überzeugen, bei ihrer Idee mitzuwirken. Für Heike Hennigs Stück „Zeit – tanzen seit 1927“, trauten sie sich auf die Bühne der Leipziger Oper. Ursula Cain, Christa Franze sowie Horst Dittmann und Siegfried Prölß wagen das Experiment und legen trotz Herzschrittmacher und künstlicher Hüftgelenke beeindruckende Leistungen dar. Alle vier durchlebten Zeiten großer Umbrüche und sozialer Veränderung des letzten Jahrhunderts in Deutschland. Voll Anmut und Lebensfreude erzählen die vier Charaktere ihre Geschichte vom Leben und tanzen ihre Lebensgeschichten.
Die monatelangen Probearbeiten haben sich gelohnt: Die Oper in Leipzig ist bis auf den letzten Platz ausverkauft und es folgt sogar ein Gastspiel in Berlin. Im Stück geht es nicht um die Perfektion, sondern um Virtuosität. Klar war den Darstellern von Anfang an, dass die Zurschaustellung ihres Körpers auch negativ aufgenommen werden könnte. Ein weiteres Ziel der Choreographin war auch herauszufinden, ob sich der Körper der ehemaligen Tänzer wieder „erinnert“ und ihr Gedächtnis gewisse Bewegungen und Abläufe wieder abrufen kann. Zwar sind die Tänzer natürlich nicht mehr trainiert und mit ihren 80 Jahren schon etwas gebrechlich, aber dennoch: die Ausstrahlung, Hingabe und Haltung sind größer denn je. „Nichts an den Tänzern ist alt, außer ihr Alter.“ Somit konnten die vier Tänzer nicht nur ihre Leidenschaft zum Tanzen wieder zurückgewinnen, sondern auch ihr Publikum voll und ganz überzeugen. Sie erzählen in ihrem Tanz ihre eigene Lebensgeschichte.
Der deutsche Filmregisseur und Drehbuchautor Trevor Peters war von dem Stück so begeistert, dass er gleich damit begann einen Film daraus zu machen. Im Auftrag von ZDF und ARTE konnte 2007 die Filmproduktion starten. Aufgrund des großen Erfolges wurde der Film auf internationalen Filmfestivals präsentiert. 2008 kam er in die deutschen Kinos und 2009 erschien die DVD.
Marion Appelt führte eineinhalb Jahre lang Interviews mit den Darstellern und begleitete sie bei den Proben und Aufführungen, bis sie 2009 ihr Buch mit dem gleichnamigen Titel veröffentlichte. Es handelt vom Tanz, dem Leben, dem Altern und beinhaltet vier ganz großartige Lebensläufe. Das Buch wurde 2009 auf der Leipziger Buchmesse präsentiert.